Historisches Museum Dietzenbach: Jüdische Geschichte fehlt noch immer

Aus der Offenbach Post vom 29.09.2022:

Im Historischen Museum Dietzenbach findet die jüdische Geschichte nach wie vor keinen Platz. Entsprechende Konzepte liegen vor, noch müssen Stadt und Träger aber wichtige Details klären.

Dietzenbach – Die jüdische Geschichte ist untrennbar mit der Kreisstadt verbunden. Deutlich wird das beispielsweise anhand der 23 Stolpersteine, die seit 2005 an insgesamt acht Orten im Stadtgebiet verlegt wurden, um den Opfern des Nationalsozialismus (NS) zu gedenken. In der jüngsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung haben die Mitglieder zudem beschlossen, eine Straße im Baugebiet 105 nach dem ehemaligen Vorsteher der Jüdischen Gemeinde, Hermann Wolf, zu benennen.

Während die Erinnerungskultur an das jüdische Leben Dietzenbachs also bereits an einigen Stellen vorangetrieben wird, suchen Besucher des Historischen Museums noch immer vergeblich nach einer Abteilung oder Exponaten, die sich mit diesem Teil der Stadtgeschichte beschäftigen.

Jüdische Geschichte in Dietzenbach: Museum mangelt es an Platz

„Wir knabbern schon seit mehreren Jahren an diesem Thema und es wurden auch schon einige Konzepte aufgestellt“, erläutert ein Vorstandsmitglied des Heimat- und Geschichtsvereins, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, auf Nachfrage. Demnach sei unter anderem bereits 2018 eine Stele zur jüdischen Geschichte in Planung gewesen. „Beim Zusammentragen der Informationen ist klar geworden, dass eine einzelne Säule nicht ausreicht“, so das Vorstandsmitglied. „Das Thema ist sehr umfassend und komplex.“ Für eine größere Ausstellung oder gar eine eigene Abteilung fehle dem Verein jedoch der Platz, ein baldiger Ausbau der Museumsräumlichkeiten sei angesichts der finanziellen Situation eher unwahrscheinlich, heißt es weiter.

Als dem Gebäude im Jahr 2021 aus Brandschutzgründen eine größere Umgestaltung bevorsteht, bringt Museumsleiterin Maria Polatowski-Ruprycht eine weitere Idee ins Spiel. „Ich habe eine komplette Konzeption für die Neugestaltung der Weltkriegsausstellung entwickelt, in der auch die jüdische Geschichte verankert ist“, erläutert sie.

Doch wieder kommt es anders: Die Pläne für die umfassenden Maßnahmen werden verworfen, der Umbau Anfang dieses Jahres umfasst lediglich ein paar Fenster und Fluchtwege, womit sich die Neugestaltung vorerst erledigt hatte. Der Heimatverein gibt an, bis dato nichts von einer entsprechenden Konzeption gewusst zu haben, steht der Idee aber prinzipiell offen gegenüber: „Wenn uns irgendwann ein vernünftiges Konzept für eine Umgestaltung vorliegt, bei der jedes Thema seinen gerechten Platz bekommt, wird sich mit Sicherheit keiner dagegen stellen.“

Heimatverein Dietzenbach: Autor kritisiert „Verweigerungshaltung“

Für Horst Schäfer sind das nur leere Worte. Der ehemalige Richter ist Mitglied der Initiative „Aktives Gedenken in Dietzenbach“ und hat als Autor des Buches „…und tilg nicht unser Angedenken“ zahlreiche Schicksale jüdischer Familien, die in Dietzenbach zu Zeiten des Dritten Reichs gelebt haben, zusammengetragen.

„Wenn der Wille wirklich vorhanden wäre, dann ließe sich eine Lösung finden“, sagt Schäfer. Seit mehr als 15 Jahren versuche er, ein entsprechendes Projekt im Museum voranzubringen – ohne Erfolg. „Ich bin wirklich erschüttert über die Verweigerungshaltung, die dort von einigen an den Tag gelegt wird“, moniert der Dietzenbacher. Den vermeintlichen Platzmangel lässt er derweil nicht als Begründung gelten: „Es geht mir nicht um einen Anbau oder darum, eine ganze Abteilung zu dem Thema zu implementieren. Viel wichtiger wäre es, ein symbolisches Zeichen für Gedächtniskultur zu setzen – und sei es nur in Form einer einfachen Gedenktafel.“

Stadt Dietzenbach in der Pflicht: Jüdische Gemeinde „soll sich im Museum wiederfinden“

In dieser Hinsicht nimmt Schäfer auch die Stadt Dietzenbach in die Pflicht. Er wünscht sich, dass die Kommune künftig noch häufiger Projekte wie die Benennung der Planstraße in Eigenregie durchführt. „Es liegt natürlich nicht allein am Heimatverein, die Erinnerung an die jüdische Vergangenheit aufrecht zu erhalten – die Stadt ist ebenso verantwortlich.“

Im Rathaus scheint man sich dieser Verantwortung bewusst zu sein. Bürgermeister Dieter Lang dazu: „Die jüdische Gemeinde und das dunkle Kapitel der Dietzenbacher Geschichte sollen sich auch im Historischen Museum Dietzenbach wiederfinden.“ Konkrete Pläne, wie dieses Vorhaben aussehen soll, gibt es nicht.

„Die derzeitige Ausstellung des Zweiten Weltkrieges ist über 20 Jahre alt und aufgrund der neuen Recherchen von Herrn Schäfer wäre eine Neugestaltung sinnvoll“, sagt Erster Stadtrat René Bacher und bezieht sich damit auf die Konzeption aus dem Jahr 2021. Rathauschef Lang zufolge ist die Stadt bereit, sich bei der Ausführung eines solchen Projektes zu beteiligen. Zuvor gilt es jedoch, die Details mit dem Heimat- und Geschichtsverein, der als Träger in der Angelegenheit das letzte Wort hat, abzustimmen. Vielleicht findet die jüdische Geschichte in Zukunft also doch noch ihren wohlverdienten Platz im Historischen Museum in Dietzenbach. (Jan Lucas Frenger)

Hier geht es zum original Artikel:
https://www.op-online.de/region/dietzenbach/wirklich-erschuettert-91818200.html

Historisches Museum Dietzenbach: Jüdische Geschichte fehlt noch immer
Nach oben scrollen